In Videotutorials und in Büchern findet sich immer wieder die Behauptung, dass die Schärfentiefe mit Zunahme der Brennweite abnimmt. Wenn ich dazu bemerkt habe, dass das nur scheinbar der Fall ist, aber in der Realität nicht stimmt, stieß ich auf großen Protest, um es mal mit Milde auszudrücken.
Es wurde also Zeit, den Beweis anzutreten. Auf den nachfolgenden Bilden seht Ihr die Auswirkungen der Brennweite auf die Schärfentiefe.
Der Versuchsaufbau mit den Objektiven. Benutzt wurde ein 2.8/24 – 70 mm und ein 2.8/70 – 200 mm.
Ein ganz entscheidender Faktor ist der Abbildungsmaßstab. Dieser musste bei allen Bildern übereinstimmen, denn sonst würde man wieder Äpfel mit Birnen vergleichen, wie das leider so oft gemacht wird. Damit der Bildausschnitt gleich ist, musste ich natürlich bei der Weitwinkeleinstellung ganz nah ran und bei der Telebrennweite eben entsprechend weit weg. Der Abstand des Objekts zum Hintergrund wurde natürlich nicht verändert und ist auf den Bildern sichtbar um gleich den Vorwurf der Manipulation der Versuchsreihe auszuräumen. Bei allen Bildern wurde selbstverständlich immer die gleiche Blende verwendet. Und der Hintergrund wurde auch nicht verschoben ;-)
Von links nach rechts: 24 mm, 50 mm, 70 mm, 200 mm
Also es ist ganz eindeutig. Es gibt keinen signifikanten Unterschied der Schärfentiefe bei den verschiedenen Brennweiten. Wir empfinden lediglich bei der höheren Brennweite eine geringere Schärfentiefe, was sich aber nur durch den engeren Bildwinkel erklärt. Bei der weitwinkeligen Brennweite ist einfach mehr vom Hintergrund auf dem Bild zu sehen und es wirkt somit unruhiger, was eine höhere Schärfentiefe vorgaukelt. Daher scheint hier eine größere Schärfentiefe vorhanden zu sein. Stimmt objektiv aber nicht.
Also liefert ein Objektiv mit kurzer Brennweite bei gleicher Blendeneinstellung und bei gleichem Bildausschnitt nicht mehr Schärfentiefe als ein langbrennweitiges Teleobjektiv.
Zusammengefasst stellt sich heraus, dass die Schärfentiefe allein vom Abbildungsmaßstab und der Blende bestimmt wird.
Wenn die Abbildungsgrößen auf dem Film/Sensor (der Abbildungsmaßstab) und die Blende gleich sind, ist auch die Schärfentiefe ohne Rücksicht auf die Brennweite dieselbe! Wie in meinem Beispiel oben zu sehen: Wird eine Bildnisaufnahme mit einem Objektiv von 50mm aus einem Abstand von 1 Meter gemacht und eine zweite Aufnahme mit einem 135mm-Objektiv aus einem Abstand von 2,7 Meter, ist die Abbildungsgröße beide Male gleich. Und werden beide Aufnahmen mit derselben Blende vorgenommen, ist auch die Schärfentiefe in beiden Fällen gleich, obwohl die eine Aufnahme mit einem Objektiv kurzer und die andere mit einem Objektiv langer Brennweite gemacht wurde. Allerdings ist die Perspektive beider Aufnahmen recht verschieden, wie wir sehen werden. Das sollten sich vor allem die Kleinbildfotografen zu Herzen nehmen, die für „normale“ Aufnahmen anstatt eines normalbrennweitigen Objektivs einen 35mm Weitwinkel verwenden, da sie glauben, auf diese Weise Schärfentiefe zu gewinnen. Sie vergessen dabei, daß dieser Gewinn mit einem kleineren Abbildungsmaßstab bezahlt werden muß, den viele Fotografen dann wieder dadurch zu korrigieren versuchen, daß sie näher an der Objekt herangehen. Das Resultat ist natürlich, daß das Objekt zwar größer abgebildet wird, seine Schärfentiefe aber proportional abnimmt und es außerdem wahrscheinlich noch perspektivisch verzerrt dargestellt wird.
Nachtrag:
Wird der Aufnahmeabstand verändert, verhält es sich anders! Mit dem Aufnahmeabstand wird auch die Schärfentiefe unter Berücksichtigung der verwendeten Brennweite beeinflusst.
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