Analoge Fotografie: Nassplatten Kollodion
Jede erzwungene Reduktion erzeugt eine Steigerung der Kreativität
Ein Gastbeitrag von Nicole Malek
Wer kennt sie nicht, diese Diskussion um Analog oder Digital? Digital gewinnt hier in 9 von 10 Fällen. Kein Wunder: Analoge Fotografie bedeutet mehr Aufwand, höhere Folgekosten, und natürlich: Frust im Dauerabo.
Alte Kameras und Filme verzeihen leider nichts. Es gibt natürlich analoge Kameras mit einer Automatik-Einstellung, doch man kommt grundsätzlich nicht drum herum: Grundwissen von Blende, Belichtungszeit und Iso sollte vorhanden sein. Und wenn man dann wirklich alles richtig gemacht hat beim Belichten, kann beim Entwickeln des Filmes eben doch wieder alles den Bach runter gehen. Genau deshalb stellt sich für viele die Frage überhaupt nicht.
Und doch gibt es eine nicht zu unterschätzende Minderheit, die sich wie eine Schildkröte am Schnürsenkel festbeißen: Analog und sonst nichts. Genauso eine bin ich. Deshalb freue ich mich besonders, einen Gastbeitrag auf dieser Seite verfassen zu dürfen, denn ich bin offensichtlich die eine am Tisch, die noch eine Fahne fürs Analoge hochhält!
Für mich bedeutet analoge Fotografie das Schulen des Auges, Entschleunigung, vorausschauendes Denken und die Akzeptanz von Fehlern als Teil des kreativen Prozesses. Bei einem Shooting im Studio legen Model und ich vorher fest, was wir mit unseren Bildern erzählen und erreichen wollen. Denn es hilft nichts, hunderte Fotos zu machen, um das eine perfekte Bild zu erhalten.
Im Gegenteil. Jede erzwungene Reduktion steigert die Kreativität.
Und das lässt sich mit analoger Fotografie ganz leicht erzielen, ein 35mm Film bedeutet 36 Aufnahmen. Mittelformat lässt je nach Kamera 10 oder 12 zu. Großformat – ich sag mal, wenn man geübt ist: geschätzte 6 Aufnahmen. Und dann komm ich und sag: lass uns Nassplatten machen – mit höchstens zwei Aufnahmen an diesem Mittag.
Das Nassplatten Kollodium Verfahren, auch Wetplate genannt, wurde 1851 erfunden und war der Grundstein der heutigen Fotografie. Hier gibt es keinen Film zu kaufen, man macht alles selbst. Eine Glasplatte wird mit einer Lösung von Kollodiumwolle und Fotosalzen übergossen, und in einem Silbernitratbad sensibilisiert. So entsteht eine Platte, die man wie ein Film in die Kamera einlegen kann, um sie zu belichten. Nach der Belichtung wird die Platte in der Dunkelkammer direkt entwickelt und fixiert. Man erhält sofort das Bild. Dieser Prozess ist viel Handarbeit, jeder kleine Schritt verlangt nach Konzentration.
Der Moment, wenn das Bild vor unseren Augen auf der Platte entsteht, ist pure Magie. Und ich erlebe hier eine Zufriedenheit, die ich persönlich niemals mit einem digitalen Bild erlebt habe. Diese Platte – entweder auf Glas (Ambrotypie) oder auf beschichtetem Aluminium (Tintype) ist ein Unikat. Dieses Bild gibt es nur einmal. Ich finde, das ist ein schöner Gedanke. Die Platte kann natürlich gescannt werden, und dann ausgedruckt oder im Internet gepostet werden. Aber das Original – bleibt einzigartig und kann man tatsächlich in den Händen halten.
Jeder findet irgendwann seinen Platz in der Fotografie – ob digital oder analog. Und das ist gut so. Trotzdem sollte man immer offen für Neues bleiben. Beißt euch nicht zu sehr fest an einem Verfahren, ob digital oder analog. Offen sein für neues. Und ja, auch ich Schildkröte lass dann doch ab und zu los, um mit meiner Handykamera Momente im Leben festzuhalten, die eben in diesem Moment passieren, und die nicht warten können, bis ich aus der Dunkelkammer mit der Kassette komme. Dann gehöre ich zu dem Rest: draufhalten und knipsen. Denn jede Kamera ist besser als keine Kamera!
Nicole Malek
Analoge Fotografie war für mich schon immer verbunden mit unverfälscht, echt und direkt. Der chemische Prozess, der Geruch von Fixierer an den Händen und die Einzigartigkeit von Bildern bedeutet für mich echte Fotografie.
Studio in 74626 Bretzfeld – Schwabbach
Weitere Informationen:
Mehr über mich https://nicole-malek.com/
Wetplate – Portraits & Workshops https://experience-collodion.de/
Teil des Künstlerduo Die Maleks – https://malek.show/
Vielen Dank an Nicole für diesen Beitrag. Weitere Beiträge von ihr zu dem Thema Analoge Fotografie werden folgen.
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