Praxisbuch Streetfotografie
Von der Szene zum Bild – wie kreative Streetfotos entstehen
Pia Parolin und Siegfried Hansen
dpunkt.verlag
Rezension: Praxisbuch Streetfotografie – Ein umfassender Leitfaden für die urbane Fotografie
Das Praxisbuch Streetfotografie beinhaltet 8 Module. Jedes Modul umfasst ein besonderes Thema. Die Module im Einzelnen sind:
Bildgestaltung
Gestalten mit Farbe (und ohne)
Das Licht nutzen
Wetter
Kreative Streetfotografie
Menschen fotografieren
Storytelling
Skills & Tools
Die Reihenfolge der Module ist irrelevant, denn sie stehen für sich allein obwohl alles miteinander verwoben ist. Den Autoren gelingt es, ihre Freude an der Streetfotografie zu teilen. Sie zeigen ihre Herangehensweise auf und sparen auch nicht mit Tipps und Tricks. Bei den zahlreichen Abbildungen stehen im Kontext Texte zur Erläuterung. Die Abbildungen zeigen nicht nur das fertige Bildergebnis, die Autoren sind auch zu sehen, wie sie gerade etwas fotografieren. Dadurch kann man noch besser die Herangehensweise verstehen.
Pia Parolin und Siegried Hansen haben in 2022 das Buch „Mit offenen Augen – eine Wahrnehmungsschule für die Streetfotografie“ veröffentlicht. Das vorliegende Buch ist quasi Teil 2 oder eine Fortführung der Fotoschule Streetfotografie, in dem die Praxis klar im Fokus steht. Die Autoren haben die Erfahrung gemacht, das ein großes Bedürfnis besteht, die Grundlagen, die Basics kennen zu lernen. Das hat seine Berechtigung und es wurde dankenswerter Weise durch dieses Praxisbuch in die Tat umgesetzt. Eine Wahrnehmungsschule ist in der Fotografie gar nicht wegzudenken, das dürfte oder sollte jedem klar sein. Das Wahrnehmen mit dem Auge und dem Verstand ist das Eine, das Andere ist, es in Bilder praktisch umzusetzen. Insbesondere diejenigen, die eine große und umfangreiche Ausrüstung angeschafft haben und dadurch den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkennen, werden das Praxisbuch wertschätzen. Ihnen empfehle ich einen Blick in Modul 8.
In Modul 8 geht es um Skills & Tools. Dabei wird schnell klar, dass Streetfotografie nicht zwangsläufig teure und besondere Kameras bzw. Objektive erfordert, sondern auch mit einfachen Mitteln faszinierende Ergebnisse erzielt werden können. Da ist das entscheidende Motto, weniger ist mehr. Das wird dem einen und anderen Techniknerd, der immer eine große Auswahl an Kameras und Objektiven mit sich herumträgt, um in jeder Situation das perfekte Werkzeug nutzen zu können, irritieren. Einen wertvollen Tipp verrate ich hier: Nach jedem Fotowalk setze einen neuen vollen Akku und eine leere Speicherkarte in die Kamera!
Die Einleitung im Praxisbuch ist wie die Vorspeise zu einem Mehrgängemenü und gibt einen Vorgeschmack darauf, was einen erwartet. Hier wird klar, dass die Kamera ein Werkzeug ist. Genau wie unsere Augen. Die Bilder entstehen im Gehirn. Aber in jedem Gehirn anders, bzw. was das eine sieht, sieht das andere vielleicht überhaupt nicht. Ich sehe was, was du nicht siehst, ein bekanntes Spiel welches wir jetzt wieder neu mit unserer Wahrnehmung und der Kamera spielen können. Streetfotografie bedeutet nicht zwangsläufig Menschen in Situationen abzulichten, so wie es Pia Parolin gerne macht, nein es geht auch ohne Menschen so wie Siegfried Hansen es bevorzugt. Das Buch verspricht nicht nur, dass für jeden etwas dabei ist, es hält es ein.
In der Einleitung wird auch eine Hürde aus dem Weg geräumt, die der Ausrüstung. Und darum steht das Modul 8 auch am Ende des Buches. Eben weil die Ausrüstung sowohl für Pia Parolin als auch Siegfried Hansen keine so große Rolle spielt. So sagen sie, dass ein Verständnis für oder ein Wissen um die fotografischen Grundlagen wie Zeit, ISO, Blende gar nicht Notwendig ist, sondern man einfach die Kamera auf Automatik stellen darf. Sie räumen mit einer weit verbreiteten Annahme auf, dass man um die fototechnischen Grundlagen lernen zu können, dicke Bücher wälzen oder teure Workshops besuchen müsse. Sie sagen es nicht explizit, ich sage das hier. Denn in zwei drei kurzen Absätzen in der Einleitung bringen sie es auf den Punkt. Punkt. Das gefällt mir.
Ebenso gefällt mir, dass sie herausstellen, dass man nicht in berühmte Städte reisen muss, um sich der Streetfotografie zu widmen. Und wenn man dies tut sagen sie, soll man sich viel Zeit dafür nehmen. Der Zufall kann eine Hilfe sein, aber Geduld und Muße haben einen höheren Stellenwert. Siegfried Hansen beweist es eindrücklich. So findet er in seinem Hamburg immer wieder neue Motive wo man doch eher annehmen könnte, es müsse ihm doch langweilig sein, da er doch schon alles fotografiert habe. Nein sagt er, jeder Moment, jede Zeit ist anders. Und das gilt auch ganz besonders für die Wahrnehmung. Interessant ist zu erfahren, wie es mit der Streetfotografie begann und sie sich entwickelt hat, auch vor dem Hintergrund des Aufkommens der Farbfotografie.
Jedes Modul für sich ist spannend, man wäre gerne mit von der Partie gewesen, so mein Eindruck. Mein zweiter Eindruck ist, man spürt die Begeisterung der Autoren für ihr Sujet und ihrem Wunsch, diese Begeisterung zu teilen, uns damit anzustecken. Sie stellen Aufgaben, die es zu lösen gilt. So wird man zum aktiven Mitmachen eingeladen statt nur passiv autodidaktisch zu lernen. In Herausstellern (farbige Kasten) geben sie Kontext bezogene Tipps. Sie verraten auch, was Pippi Langstrumpf mit Streetfotografie zu tun hat.
Die einzelnen Module zeichnen sich durch große Praxisnähe aus. Genau so wie man es ja von einem Praxisbuch erwartet. Hier wird man keinesfalls enttäuscht. Aus meiner Sicht sehe ich andererseits auch keine Überforderung oder das das Gefühl aufkäme, man müsse hohe Investitionen tätigen, um von dem Buch zu profitieren. Will sagen, die Umsetzung in Wort und Bild ist perfekt gelungen. Beide, Pia Parolin und Siegfried Hansen geizen nicht mit ihrer Erfahrung sondern schütten ein Füllhorn aus.
Durch Modul 8 wird deutlich, dass es nur wenig an technischer Ausrüstung bedarf. Eine Kamera mit einem Objektiv genügt. Dass beide Autoren hier eine Leica Q verwenden ist keine Angeberei oder gar eine Vorgabe, dass es ohne solch einer teuren Kamera nicht ginge. Es ist eher die Konsequenz sich auf einen Minimalismus einzulassen. Dafür steht Leica mit den Kameras der Q und M Serie durch Reduzierung auf das Wesentliche, welches Nutzen bringt und nicht behindert. Für mich zählt dazu eine Kamera, die schnell bereit ist und nicht etwa erst noch ein Objektiv aus dem Gehäuse herausfahren muss.
Fazit
Das „Praxisbuch Streetfotografie“ von Pia Parolin und Siegfried Hansen ist ein herausragendes Werk für Fotografen, die die Kunst der Straßenfotografie erlernen oder vertiefen möchten. Es richtet sich sowohl an Anfänger als auch an fortgeschrittene Fotografen und bietet einen tiefgehenden Einblick in die verschiedenen Aspekte dieses Genres. Besonders wertschätze ich das hier Fotografin und Fotograf mit ihren ganz speziellen Betrachtungsweisen sich wunderbar ergänzen. Es braucht nur zwei Bücher um in die faszinierende Welt der Streetfotografie einzutauchen: Mit offenen Augen und Praxisbuch Streetfotografie.
Lediglich einen Kritikpunkt habe ich in Bezug auf das Layout des Buches. Hellgraue Schrift auf weißem Grund wie sie teilweise vorkommt ist sehr problematisch und kein Gewinn.
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