Haiku fotografieren
Ein neuer Ansatz für die Naturfotografie
Ein Buch von Martin Timm
Fotoforum Verlag Münster
23×23, 168 Seiten,
Das Buch von Martin Timm ist 2022 in der zweiten überarbeiteten, fast vollständig neu illustrierten Auflage im Verlag Fotoforum erschienen nachdem die Erstauflage fast zwei Jahre lang ausverkauft war.
Der Untertitel lautet: Ein neuer Ansatz für die Naturfotografie
Als ich das Buch zum ersten Mal in die Hand nahm und darin blätterte um mir die Fotografien anzusehen, war mein Erstaunen groß. Da sind Fotografien im Buch zu sehen, die ja in der Natur aufgenommen wurden aber so manches, gar vieles im Unsichtbaren, Unklaren zu lassen. Ein riesiger Raum für Interpretationen ist vorhanden. Da ich mich zur Zeit bzw. seit einigen Jahren jetzt doch schon, mit dem Thema Achtsamkeit auseinander setze, fühlte ich mich gleich angezogen, angesprochen. Öffnet sich mit diesem Buch für mich, und vielleicht auch für Sie, eine „Different Vision of Nature Photography“? Die Antwortet lautet ja, das macht das Buch – aber, es ist eine Herausforderung sowohl in der technischen Umsetzung als auch im Verstehen um das Thema. Wer bisher auf höchste technische Perfektion in der Naturfotografie gesetzt hat um spektakuläre Bilder zu erzeugen, wird sich mit einem nur schwer verständlichen anderen Ansatz konfrontiert sehen. Denn es geht in der Haiku Fotografie nicht um eine im technischen Sinne perfekte Aufnahme. Man wird auch keinen Erfolg haben, wenn man sich nur technisch an das Thema heranwagt und glaubt an Hand der Abbildungen im Buch verstanden zu haben, wie es funktioniert und dem geschriebenen Wort im Buch eher abfällig gegenüber steht. Martin Timm macht klar, dass es zunächst um ein Verständnis von Weisheiten und Lebensansichten geht, wie dem WuWei, dem Wabi Sabi um nur zwei wesentliche zu nennen.
Martin Timm schreibt einige Worte vorweg mit denen er den Bogen von der Dicht-Kunst hin zum – angenommenen – Wunsch von Fotografen mit Ihren Fotografien ver-dichten zu wollen, was denen aber nicht bewusst sein soll, das es ihnen ein Anspruch sei. Er wirft in diesem Zusammenhang Fragen auf, die er an sich selbst und seinen Kursteilnehmern erfahren zu haben glaubt. Für sich selbst hat er eine Antwort gefunden, die ihn über den Tellerrand seines fotografischen Schaffens hinaus hat blicken lassen. Grundlage dafür war/ist das Interesse an uralten japanischen Traditionen, Haiku, WuWei, Wabi Sabi, Zen etc. Die Kunst mit besonderen Tuschezeichnungen Botschaften und Eindrücke zu vermitteln mag sicher nicht jedem Fotografen bekannt sein, ist meines Erachtens genau der Anstoß den es braucht. Den es braucht um im Sinne von Haiku mit Licht zu malen. Auf eine Art, die Raum lässt. Raum lässt auch Martin Timm obwohl er über vieles spricht, aber nicht immer im konkreten sondern vielmehr in beschreibender Weise. In einem Absatz gibt er eine Beschreibung von seiner Herangehensweise in offener Form: kein Belichtungs- und Fokussiergehabe, Bemühen um unfotogene Motive, weder scharf noch unscharf stellend fährt er innere Antennen aus und bewegt sich durch den Raum bis er spürbar wird um dann in diesem Moment den Auslöser der Kamera zu bedienen.
Nach der Einführung in das Thema geht es ab Seite 96 um die Praxis und Übung. Die Kapitelbeschreibung lässt mehr erwarten, konkretes. Welche Ausrüstung, Einstellungen und Locations ideal sind und worauf Martin Timm achtet bei Motiven und Gestaltung.
In diesem Buchabschnitt, der zahlreiche Abbildungen enthält, finden sich nur an sehr wenigen davon konkrete Zahlenwerte. Und die beziehen sich nicht auf Belichtungszeiten und ISO Einstellungen, von Blendenzahlen mal ganz abgesehen. Und übertragbar sind sie eh nicht, da Martin Timm sich Objektive lieber selber baut als auf fertiges aus dem Fotogeschäft zurück zu greifen, was nicht zu bedeuten hat, dass es mit solchen in Massen gefertigten Objektiven nicht zu bewerkstelligen wäre. Stichwort Altglas! Alte Optiken vermögen an modernen Kameras mit hoher Auflösung oftmals alles mögliche zu sein, nur nicht der Inbegriff von Perfektion. Und darum geht es ja auch eben nicht. Schnell wird klar, dass man es mit einem ganz anderen Ansatz zu tun hat. Dieser Ansatz verlangt aber auch, sich von gewohntem Denken und Handeln zu befreien. Es gibt eine Meditationsform in der das Nichttun – nicht Nichtstun – den Weg aufzeigt. Für Ungeübte eine sehr große Herausforderung die viel abverlangt, genau so wie die Haiku Fotografie. Wer sagt, das sei esoterischer Tünkram und nicht bereit ist, hinter dem von Martin Timm angesprochenen Ofen hervorzukommen und sich auf die Schulbank zu setzen um zu lernen, der braucht hier nicht weiterlesen. Er wird den Untertitel des Buches „Ein neuer Ansatz für die Naturfotografie“ nicht begreifen und wird kläglich Scheitern, allenfalls Ansatzweise die Bilder aus dem Buch nachahmen. Mehr wird es nicht.
Martin Timm begründet, warum man schöne Motive meiden sollte und räumt ein, er könne (WabiSabi) Qualität nicht gestalten. Stattdessen achtet er auf Dinge, die er auch benennt, die beim Schreiben von Haiku Gedichten wichtig sind und die er auf die Fotografie adaptiert. Auch wenn er diese Herangehensweise nur Neulingen empfiehlt. Im weiteren wird die Frage nach dem Equipment abgehandelt.
Wenn Sie wie ich durch Ihren persönlichen Weg mit der Meditationspraxis der Achtsamkeit in Berührung gekommen oder einfach in Ihrem Denken offen für neue Erfahrungen sind und gerne fotografieren, wird das Buch für Sie eine Bereicherung sein. Sie können sich auf einen Weg einlassen, der Ihr ganz höchst persönlicher Weg ist. Martin Timm bringt Ihnen eine neue, womöglich ganz andere, Sicht auf die Sie umgebende Natur und ein tieferes Bewusstsein.
Ich habe schon viele Bücher zum Thema gelesen, u.a. dieses hier über Fotografie als Meditation, aber sie sind allesamt keine Antwort auf meine Fragen. Sie mögen mich jetzt für abgehoben oder sonstwie schräg halten, wenn ich sage, das Buch hat seinen Weg zu mir genommen. Für mich hat es viele Fragen nicht konkret beantwortet, aber Antworten mit Raum gegeben und so bin ich ganz bei Martin Timm und gehe mit meiner Kamera hinaus und werde bestenfalls von den Motiven gefunden, nicht heute, morgen, irgendwann vielleicht. Martin Timm lässt uns großen Raum für eigene Interpretationen da er völlig undogmatisch das Thema aufbereitet hat. Man spürt seine tiefe Überzeugung und Leidenschaft, Leidenschaft auch im Sinne des Wortes, denn es war ein langer Weg bis heute, ein Weg der nicht endet, quasi ist der Weg das Ziel. Ein Spruch den man leicht mal sagt. Durch das Buch zieht er sich für mich wie ein roter Faden.
Martin Timm hat ein Werk geschaffen welches das Malen mit Licht, dem Fotografieren, also Photo Graphos, vor dem Hintergrund der uralten japanischen Weisheiten und Traditionen ein neues, ganz anderes als gewöhnliches Sehen ermöglicht.
Was mir an dem Buch nicht gefällt:
Martin Timm setzt Blende mit Blendenöffnung gleich. Spricht er z.B. auf Seite 112 von kleiner Blende, die die Schärfentiefe erhöht, meint er die kleine Objektivöffnung die nur durch eine große Blende (dem technischen Bauteil in jedem Objektiv) erzeugt werden kann. Das zieht sich durch das Ganze Buch. Hier gibt es einen Artikel von mir zur Blende. „Im Sprachgebrauch der Fotografie wird der Begriff Blende oft auch als Kurzform für Blendenöffnung benutzt, und beispielsweise anstatt von großer Blendenöffnung von großer Blende gesprochen. Dieser Sprachgebrauch ist üblich, kann aber zu Missverständnissen führen, da eine große Öffnung einer kleinen Blendenzahl (und umgekehrt) entspricht.“ Quelle Wikipedia
Ein anderer Punkt ist, dass Martin Timm gelegentlich in seiner Wortwahl Unachtsamkeit zeigt in dem er Worte verwendet, die im Kontext mit der Benutzung von Waffen stehen. Wir fotografieren, wir schiessen keine Bilder. Eine unsägliche Wortwohl die jeder Notwendigkeit entbehrt und unangebracht ist. Meine Ansicht in einem Artikel hier.
In dieser beider vorgenannter Hinsicht sollte das Buch in der nächsten Auflage überarbeitet werden.
Das Buch können Sie hier direkt bestellen: https://shop.fotoforum.de/haiku-fotografieren/
Ich bedanke mich ganz herzlich bei Martin Breutmann vom Fotoforum Verlag für dieses Rezensionsexemplar.
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